Knie werden überbewertet

Meine Lieben,

ein normaler Freitag endet mit der Erkenntnis, Knie werden überbewertet.

Freitag Morgen, halb sieben in Deutschland, ein spannender Tag startet.

Hundegang, Blick auf das Handy mit der Nachricht, dass ein mir lieber Mensch verstorben ist. Fertig machen für die Beisetzung meines Cousins. Sehr emotional, sehr ruhig läuft eine Waldbestattung ab. Danach esse ich um halb zwölf eine deliziöse Gulaschsuppe mit einem auf der Zunge zergehenden Kirschstreuselkuchen auf dem mindestens zwei Schlag Schlagsahne thronen. Willkommen im Leben.

Und dann sagt mein ‚MRThloge‘ – ähm Radiologe, beim 14.30 Uhr Termin zu mir, wo ich eigentlich im linken Knie mein vorderes Kreuzband gelassen habe?

Ups. Da schlucke ich doch erst einmal. Pause im Hirn. Ich weiß es genau! Es liegt auf der Skipiste in den Dolomiten in der Nähe von Campitello in Italien. Die Huckel kamen zu schnell hintereinander und beim Letzten endete mein Sprint mit nach außen gewinkelten Füßen, ich auf dem Huckel thronend. Der linke Ski hatte sich nicht gelöst. Es war früh morgens, also nichts da mit Apres Ski, oder was ihr jetzt von mir denkt.

Damals war Aperol angesagt, das schmeckte mir schrecklich nach bitterer Medizin. Sah aber schön aus, das rote Zeug in kleinen Flaschen. Der Berg musste nach dem Sturz zu Ende abgefahren werden, denn wir steckten am Anfang des herrlichsten Skikarussels Italiens. Auf den Skiern humpelt Frau nicht, sie glitt, also – machbar! Abends schaute das Knie etwas dick aus, also kühlte ich es mit Handtuchumschlägen getränkt mit eiskaltem Bergwasser direkt aus der Leitung. Knie werden überbewertet, der Urlaub war teuer bei Neckermann bezahlt, also fuhren wir am nächsten Tag weiter.

Okay, zu Hause humpelte ich ein bisschen. Der Twist lässt sich seit dem auf der Tanzfläche nicht mehr so gut rocken, aber so ein Sampler dauert nicht länger als 10 Minuten, das schaffe ich. Nach 80 km Fahrradtouren macht sich das linke Knie etwas bemerkbar, doch das darf es dann doch wohl auch. In letzter Zeit allerdings verklemmte sich irgendwas da drin, so dass ich mich im Garten zwei Mal auf die Nase legte. Das gab mir dann zu denken. Deshalb das MRT.

Ich glaube, diese meine Gedankengänge wollte der Doktor gar nicht wissen, deshalb fand meine Erinnerung auch nur in meinem Kopf statt. Er sprach von Kunstband und zwei Schrauben und dass ich mir Meinungen einholen soll. Danach war ich entlassen.

UPS! Im Wartebereich musste ich tief Luft holen. Danach holte ich Meinungen ein. Nicht die, die der Doktor meinte, die kollegiale erfolgt erst nächste Woche. Die Kniescheibe meiner Schwester, der Snowboarderin, springt rein und raus. Ach ja? „Warst du beim Arzt?“, frage ich. „Nö!, Knie werden überbewertet“, sagt sie. Dem Vater eines mir lieben Menschen fehlen beide vorderen Kreuzbänder, das kompensiert er durch Muskelaufbau. Ah ja, Kreuzbänder werden überbewertet. Die dollen Schmerzen sind gar nicht mehr so schlimm, finde ich. Es kommt einfach auf die Perspektive an!

Zipperlein sind doof, da brauche ich ein MRT. Aber ein fehlendes Kreuzband wird wirklich überbewertet. Ich lebe damit seit guten 30 Jahren, da schaffe ich die nächsten 30 doch wohl ohne Schrauben und Nägel. Mit diesem Gedanken im Kopf gehe ich in die Knie und fange an im Wohnzimmer die Tapeten abzukratzen. Aber, das ist ein neues Thema. Davon erzähle ich euch im nächsten Blog.

Eine schöne Woche wünscht euch

Eure Birgit