Marien-Hospital

Meine Lieben,

wie ein roter Faden kann sich ein Krankenhaus durch ein Leben ziehen. In meinem Leben ist es das Marien-Hospital.

Geboren wurde ich vor 55 Jahren in eben diesem Marien-Hospital. Das erste Mal bewusst wahrgenommen habe ich die Klinik im Alter von ca. fünf Jahren als ich dort meine Oma Sofie besuchte deren Galle entnommen worden war. Meine Oma Frieda verstarb ein Jahrzehnt später in der Klinik. Meine Mutter brachte dort auch meine Schwester zur Welt, die ich nur deshalb hinter der Scheibe der Geburtsstation betrachten durfte, weil mein Vater mich heimlich hinein schleuste, da Kinder bis 14 Jahren auf der Geburtsstation nichts verloren hatten.

Drei Mal wurde meine Mama am Unterleib operiert, was vor 35 Jahren jeweils einen Krankenhausaufenthalt von drei Wochen bedeutete. Zu Hause übernahm die Oma Sofie das Regiment und im Krankenhaus die Schwester Alwina, eine fröhliche Nonne. Eine Unterleibs-OP beinhaltete  früher einen großen Bauchschnitt, weshalb zur besseren Heilung darauf ein schwerer Sandsack gelegt wurde. Beim Betten machen, vor dem Abendessen, ließ meine Mama diesen Sandsack regelmäßig, zu unserer Freude, im Wäschesack der Station verschwinden, so dass die leitende Schwester Alwina ihn zumeist erst ein paar Zimmer weiter entdeckte. Mit fröhlichem Gesicht und den aufmunternden Worten „Meine Liebe, Sie haben da was verloren“ brachte sie ihn regelmäßigzu meiner Mama zurück.

Wenn meine Schwester und ich am späten Nachmittag zu unserer Mutter kamen, hatte Schwester Alwina schon Brotteller für uns an die Seite gestellt, damit wir gemeinsam mit unserer Mama zu Abend essen konnten. So etwas ging damals noch, denn es gab damals noch keine abgezählten Teller in Tablettständern. Wenn du aus dem OP kamst, war für ein paar Stunden später eine Mahlzeit für dich zurückgestellt, was durchdacht, menschlich und persönlich war. Die Seele von dem Ganzen aber war Schwester Alwina, die sang und tanzte, mit dir lachte und weinte. Sie hörte dir zu und tröstete dich. Ich empfand sie als einen Engel auf Erden. Jeweils drei Wochen verbrachte meine allein erziehende Mutter auf Schwester Alwinas Station, da lernte man einander kennen. In einer sehr traurigen Zeit war diese Schwester ein helles Licht. Gott hab‘ sie selig.

Abendlicher Ausblick, Marien-Hospital

Das heutige Marien-Hospital hat nur noch eine Nonne, die als Seelsorgerin begleitet. Sie stammt aus dem fernen Land, um uns Europäern Gott näher zu bringen. Ein so lieber, freundlicher und aufgeschlossener Mensch, die ich das erste Mal traf vor dem Anmeldungsraum auf dem Flur traf. Sie nahm meine Hand, hielt sie fest, denn sie meinte mich zu kennen. Sie selber vermittelt das Gefühl, dass sie einem irgendwie vertraut ist. Wir unterhielten uns sehr nett und gingen unserer Wege. Am Tag nach meiner Arthrosespiegelung besuchte sie mich unerwartet auf meinem Zimmer. Sie besucht am Tag zuerst Menschen, die sie eingeladen haben. Dann klopft sie an eine beliebige Tür und bietet ein Gespräch an. Wir sprachen über unsere Familien, den Respekt der Religionen untereinander und die einzelnen kranken Menschen jeder Religion, die wir heute Terroristen nennen. Ein sehr weltliches Thema im kirchlichen Rahmen. Ein bereicherndes Gespräch mitten in der Hektik des Krankenhaustrubels.

Diese Nonne steht in einer langen Kette von guten Seelen des Marien-Hospitals. Früher wurde jede Station von so einer guten Seele geleitet. Schaute ich des Sonntag Nachmittags vom Balkon des Krankenzimmers in den Garten hinab, so sah man Frauen in ihrer festlichen schwarz-weißen Ordinariatstracht gibbelnd und quatschend, fröhlich Arm in Arm spazieren gehend. Das waren noch Zeiten.

Garten, Marien-Hospital

In einer Stadt wie unsere hat jeder Besucher seine eigenen Erinnerungen. Die meisten Frauen brachten dort, ebenso wie ich, ihre Kinder zur Welt. Unzählige Male haben wir Familie, Freunde und Nachbarn besucht. Nun also lag ich mal wieder in dieser Klinik. Mir geht es nach meiner OP wieder ganz gut, wenn ich mit meinen Gehhilfen über die Flure schleiche.

Gehhilfen, Marien-Hospital

Ich möchte mich für alle euren lieben Wünsche und Gedanken bedanken. Danke für eure Unterstützung. Nun habe ich noch ein paar Wochen mit Gehhilfen vor mir, aber dafür, dass ich nun wieder besser zu Fuß sein kann, hat sich mein Aufenthalt im Marien-Hospital wirklich gelohnt.

Bleibt gesund, ihr Lieben. Herzliche Grüße sendet euch

Eure Birgit Glücksschwein, Marien-Hospitak

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