Unterarmgehstützen

Meine Lieben,

nun bin ich sie los, meine Unterarmgehstützen. Was soll ich sagen, es ist nicht das, was ich mir vom Gehen ohne Gehstützen versprochen habe.

Letzten Montag war es so weit, dass mein Doktor sagte, ich könne die Unterarmgehstützen weglassen. Fand ich echt Klasse! Laut verkündete ich es jedem, der es hören oder nicht hören wollte.

Nach dem Arztbesuch zu Hause angekommen, machte ich mir für denselben Nachmittag meinen ersten Termin beim Physiotherapeuten um die Ecke. Ich hatte mit ihm vor einiger Zeit schon gute Erfahrung gesammelt, so dass ich mich wieder vertrauensvoll in seine Hände begeben wollte. Um die Ecke bedeutet, dass ich für die Fußstrecke mit zwei gesunden Füßen cirka fünf bis sieben Minuten einplane. Aktuell  nahm ich mir 30 Minuten Zeit, so dass ich auf jeden Fall pünktlich sein würde. Natürlich ging ich den Weg ohne die Unterarmgestützen, was mir am Morgen erlaubt wurde.

Erlaubt heißt aber nicht können oder müssen. Ich habe den Fußweg in 25 Minuten geschafft, aber wie? Dieser Weg war meine erste gewählte Strecke ohne die Unterarmgehstützen. Sie gleich beim ersten Gang wegzulassen, das hätte ich mir gut klemmen können! In kleinen Trippelschritten, darum bemüht mein zur Schmerzvermeidung angewöhntes Humpeln abzulegen, schritt ich langsam voran. Egal wie langsam, es tat einfach nur höllisch weh. Mein gesamtes Körpergewicht lastete nun zu 100 Prozent auf meinen Füßen. Durch die Unterarmstützen war es auf Arme und Füße verteilt, was sich wesentlich besser anfühlte.

Jeder Schritt tat weh, egal ob ich den linken Fuß richtig aufsetzte oder falsch. Ich hatte mich, meine Kraft und mein Können völlig falsch eingeschätzt. Bisher fragte mich mein Doktor des öfteren, ob ich diese oder jene Anwendung gegen die Schmerzen verschrieben haben wolle. Nein, sagte ich jedes mal, ich habe doch keine Schmerzen. Hatte ich auch nicht. Die Betonung liegt auf hatte! Ohne Unterarmgehstützen sieht die Welt nun ganz anders aus. Das Thema werde ich auf jeden Fall wieder aufgreifen.

Mein Gang zum Physiotherapeuten ließ mich noch einige weitere Erfahrungen sammeln. Er eröffnet mir sozusagen einen Blick in die Zukunft des älter Werdens. Es wird eine Zeit im Leben geben, da werden dich Kinder, junge Leute und kraftvoll ausschreitenden Menschen überholen. Nicht nur Fahrräder sausen an dir vorbei, sondern auch sehr viel älteren Damen mit ihren Rollatoren, von rüstigen Rentnern ganz zu schweigen.

In dem Moment ging mir durch den Kopf wie dankbar ich bisher sein konnte, dass ich nur aktuell gehandicapt bin. Ich erhielt einen neuen Ansporn, fleißig zu üben um wieder auf die Füße zu kommen. Der Physiotherapeut ist mir eine große Hilfe. Nicht nur, dass er durch manuelle Therapie meinem linken Fuß zur Beweglichkeit verhilft, sondern seine Übungen lassen mich auch wieder aktiv werden.

Ziel ist es, möglichst bald wieder mit meinen Hundemädels Zina und Feli durch den Wald zu tollen und mir die Kanalseiten zurück zu erobern. Ich hätte nie gedacht, dass das erneute beweglich Werden nach einer OP so viel Zeit in Anspruch nimmt. Da ich aber aktuell so wie so nichts anderes vor habe, kann ich auch meine ganze Kraft gelassen in meine Übungen stecken. In der Ruhe liegt die Kraft. Aktuell ist wirklich der Weg mein Ziel, ob mit oder ohne Unterarmgehstützen.

Zu früh gefreut, kann ich nur sagen. Herzliche Grüße sendet euch

Eure Birgit