Bei mir sein

Meine Lieben,

manchmal gibt es eine Zeit, da spüre ich, ich habe mich verloren. Es wird dann Zeit  mal wieder  ganz bei mir sein zu wollen.

Da sitze ich des Abends auf der Terasse und überlege, was ich euch erzählen wollte. Heute beim Lesen eines Buches fiel mir auf, mir fehlt das bei mir sein. Ich habe mich verloren.

Verloren in den Gedanken krank zu sein nach 14 Tagen Virusgrippe. Dann habe ich mich verloren in den Unmengen von Wäsche, die vier erkrankte Personen nach Schüttelfrost und Fieber hinterlassen. Verloren in den Pflichten, die auch eine Kranke zu erledigen hat. In so mancher Sorge ging ich verloren. Eigentlich habe ich nur noch funktioniert.

Fu Hund II, Bei ir sein

Selbst meine mir sonst jedes Mal helfenden Gassigänge mit Zina und Feli verhalfen mir nicht dazu, bei mir zu sein. Vorausschauend Gassi gehen, das heißt, wie weit schafft es mein Körper? Zunächst fuhren wir zur Hundewiese nach drei Tagen völliger Bettruhe. Zina und Feli gaben sich mit Haus und Garten zufrieden. Am Rande der Hundewiese setzte ich mich auf einen Abgrenzungsstein und unsere beiden tobten sich alleine aus. Dann gingen wir den Hauptweg auf und ab. Eine kleine Gassi Runde war endlich möglich. Dem folgte die Runde bis zur Wiese und nun schaffe ich so langsam wieder angestammte Wege. So ging es dem Körper. Und mein Geist?

Zinas & Felis Gartenspiel, Bei mir sein

Der Geist trudelt erst langsam hinter dem Körper her. Bei mir sein startet gerade erst wieder über die Sinne. Unser kleiner Springbrunnen plätschert leise vor sich hin. Ich nehme ihn wahr und meine Augen ruhen auf dem Wasserspiel.

Wassersäule, Bei mir sein   Wasserspiel, Bei mir sein

Die Kanarienvögel im Nachbargarten zwitschern leise vor sich hin. Sie treten in den Wettstreit mit den Kirchenglocken, dann wird es ruhig, bevor sie von vorne loslegen. Meine Ohren hören ihr fröhliches Gezwitscher. Der Schilf rauscht im Wind. Ich spüre ihn sanft auf meiner Haut. Ich pflücke die prallen kleinen Tomaten. Sie fühlen sich so glatt an. Auf meiner Zunge hinterlassen diese von mir selber angepflanzten Tomaten ihren typischen Geschmack. Süß zergeht er auf der Zunge.

Tomatengeschmack, Bei mir sein

Meine Augen fallen erneut auf den Oleander, der wirklich ganz bei sich ist. Er war ein Geschenk im kleinen Topf. Er bekam einen größeren und noch einen größeren Topf und wurde in jedem Frühjahr mit Topf von mindestens zwei starken Männern in die Sonne geschleppt. Gedankt hat er es uns mit herabfallenden Blättern und kaum aufblühenden Blüten. In diesem Jahr war er in seinem Topf zu schwer geworden. Deshalb wurde der Oleander ausgepflanzt in ein sonniges, windstilles Eckchen und er dankte es uns mit so vielen Blüten wie noch nie. Ich würde sagen, er ist angekommen. Er ist ganz bei sich.

Oleanderblüten, Bei mir sein

So will ich auch wieder ankommen, beziehungsweise ganz bei mir sein. Irgendwo habe ich mich im letzten halben Jahr verloren. Wie es immer so ist, doch im Moment des Feststellens bin ich schon auf dem Weg zu mir. Vorher war ich in Pflichten und Krankheiten, in Stress und Neuheiten verloren, aber nun bin ich wieder bei mir. Es ist so schwer bei mir zu bleiben, denn mein Leben bietet am laufenden Band Aufmerksamkeit erheischende Augenblicke, bei denen es für mich schwer ist ganz bei mir zu bleiben.

Dennoch nehme ich es mir vor. Bleibe ich bei mir, geht es mir gut. Geht es euch gut? Seid ihr bei Euch? Ich wüsste so gerne mehr über euch, meine Leserinnen und Leser.

Es drückt euch ganz feste,

Eure Birgit Gesundheitsblümchen, Bei mir sein

2 thoughts on “Bei mir sein

  1. Bei sich sein….60 Jahre lang wusste ich nicht, dass es das gibt. Ich hatte doch zu funktionieren, mich um andere zu kümmern, für andere da zu sein, für andere Geld zu verdienen, für andere zu putzen zu waschen sich zu sorgen. Was bekam ich dafür ? Oh ganz viel, Zig Dutzende Tritte in den Hintern, hunderte von moralischen Schlägen in die Magengrube, etliche „rote Karten“. Dann schwemmte Dich der Lebensstrom in mein Fahrwasser, und Du blockiertest erst mal die Gegenströmung. So…nun hatte ich klare Sicht, nun konnte ich mich auch ohne Hetze und getrübten Blick umsehen. Das führte zu einer für mich völlig neuen Erkenntnis. Es gab nur einen Menschen in meinem Leben, den ich vernachlässigt hatte….MICH.
    Nun, das war reparabel…dachte ich, aber doch ganz schön schwierig.
    Ich ging auf die Suche, es war wie in meiner Kindheit zu Ostern, nur mit dem Unterschied, dass ich keine Eier suchte sondern ….MICH.
    Birgit, ich habe mich gefunden. Und ich war ganz zufrieden mit dem was ich fand. Ich stellte aber auch fest, dass es die Menschen für die ich Lebenslang da war, mich nicht zu schätzen wissen. OK, was macht man mit solchen Leuten? Rennt man ihnen hinterher, versucht man sie zu bekehren, von sich zu überzeugen???
    Nö, so nicht und mit mir nicht, man lässt sie wo sie sind und nimmt das, was man nie gesucht und doch gefunden hat. So habe ich mir eine neue Familie gebaut, ich habe nun 2 Töchter (eine sogar mit nettem Mann) und 4 Enkelinnen die froh sind mich zu haben, und sich nicht nur ein Bein dafür ausreißen, dass es auch mir gut geht. Ich würde sagen :
    Ich bin nun bei mir.
    Und so soll es auch bleiben, danke für die Starthilfe.

  2. Liebe Brigitte,
    danke für deine Offenheit und dein Vertrauen. Menschen wie du sind es, die mich begleiten und mir durch Gespräche helfen wieder zu mir zu finden. Was würde ich tun, wenn es solche Menschen auf meinem Weg nicht gäbe? Der Austausch und die Ehrlichkeit untereinander, ob gerne oder nicht gehörte Worte, sind es, die zum Denken, Nachdenken und Finden beitragen.
    Schön, dass es dich gibt, liebe Brigitte.
    Alles Liebe,
    Deine Birgit

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