Schulfreundin

Meine Lieben,

vierzig Jahre ist es her, da gingen auch meine Sommerferien zu Ende. Mein Herz war schwer, denn ich kehrte nicht zurück zu meinen vertrauten Schulfreundinnen und Schulfreunden. Ich musste 1975 eine Klasse wiederholen und wusste nicht, dass ich in der neuen Klasse meine Freundin für mein ganzes Leben treffe, meine Schulfreundin Elvi.

Das Gefühl eine Mädchens, das eine Klasse wiederholen muss, ist kaum zu beschreiben. Bauchschmerzen sind noch das kleinste Übel. Ich war nicht die Einzige, die wiederholen musste, was ich aber an diesem ersten Tag, auf dem Weg in die Schule, noch nicht wusste. Ich war aber das einzige Mädchen. Dieses Vorstellen durch den Lehrer, oh, dieses gemeinsame Schauen, wo man sich hinsetzen kann – grauenvoll. Dieses vorsichtige Herantasten. Es war nicht einseitig von meiner Seite aus, sondern auch aus der Neugier von Seiten der neuen Mitschüler heraus, das tat gut.

Ich kam aus einer lauten und konkurrierenden Klassengemeinschaft; einer war besser als der andere. Wo es laut ist, werde ich ruhig, das war immer schon so. Es war mir aber nicht klar, dass es für mich Besseres gibt. Durch eine Kette von Umständen, inklusive einem Knöchelbruch und Abwesenheit in der Schule, verpasste ich so viel Lernstoff, dass ein Wiederholen der Klasse unvermeidbar war.

Auf eine gute Klassengemeinschaft war ich da getroffen. Harmonisch, miteinander redend und dabei viel Spaß habend. Wenn ich mittags zu Hause aus der Schule erzählte, fiel jeden Mittag der Satz „… und da haben wir mal wieder gelacht“. Den hat meine kleine Schwester dann immer nachgeplappert.

So lange das Wetter es zuließ, so lange fuhr ich mit dem Rad zur Schule. Doch dann setzte die Schlecht-Wetter-Periode ein, was wie in jedem Jahr bedeutete, dass ich ab jetzt mit dem Bus fuhr. An der Bushaltestelle stand sie dann, meine Klassenkameradin Elvi, die meine Schulfreundin werden sollte. 40 Jahre ist es her.

Wir wussten von einander weder, dass wir  in der gleichen Siedlung wohnten, noch dass der Freitag vor dieser Busfahrt unsere letzte alleinige Radfahrt zur Schule war. Außerdem wussten nicht, dass die Zukunft für uns eine reife, freie und unabhängige Mädchenfreundschaft bereithielt.

In die Busfahrgemeinschaft schlich sich die erste Vertrautheit, die sich mit den Jahren vertiefte. Wir gehörten der selben Clique an, dem selben Kegelklub – oh Gott, wie alt klingt das, aber da waren wir um die 18 Jahre alt. Grandiose Karnevalspartys und viele gemeinsame Geburtstage feierten wir.  In einem Zeltlager in Österreich am Attersee tranken wir Strohrum und erbrachen ihn hinter dem Zelt gemeinsam. Pizza aßen wir das erste Mal  auf der Skifahrt der Schule in Joch Grimm.

Nach dem Abitur führte das Leben jeden von uns auf unsere ureigene Wege. Wir feierten nicht unsere ersten Hochzeiten zusammen, aber bei meiner zweiten Hochzeit, da feierten meine Schulfreundin und ich zusammen, mit unseren Männern, die wir aus der Schule kennen, und unseren Kindern.

Natürlich mit unseren Kindern, die uns wieder zusammengeführt hatten. Alexander, mein Erstgeborener, wurde fast zwei Jahre alt, da klingelte mein Telefon. Eine Stimme, die mir mehr als vertraut war, sagte: „Du hast ein Kind! Und das will ich sofort sehen!“ Ich erwiderte nur lachend „Sollst du, Elvi!“ So trafen wir uns ein paar Tage später wieder in unserer Wohnung. Eine hochschwangere Elvi krabbelte mit Alexander durch das Kinderzimmer und bestaunte mit ihm das Riesenbilderbuch, das sie ihm mitgebracht hat. Sie war voll in ihrem Element.

Ein paar Engel haben uns erneut zusammengeführt. Mein Patenonkel Wolfgang hatte einen Frisörsalon in unserer alten Wohnsiedlung, den Elvis Mama besuchte. Ich war schon mit 16 von dort fortgezogen, was unserer Freundschaft aber keinen Abbruch tat. Mit meiner Tante Elfriede plaudernd kam das Thema Birgit und Elvi auf. Bla-bla-bla-bla-bla, die Birgit hat ein Kind, bla bla, bla bla bla! Ich habe gerade ein fettes Grinsen im Gesicht, wenn ich mir meine Lieblingstante, die typische Ehefrau eines Frisöres,  mitten im Geschehen vorstelle. Tante Elfriede erzählte es Mutter Erna, Erna erzählte es Tochter Elvi und Elvi rief an. Ach ja, irgendwo dazwischen muss auch noch eine Telefonnummer weitergegeben worden sein.

So setzten meine Schulfreundin Elvi und ich unsere Freundschaft fort. Acht Tage nach Alexanders zweitem Geburtstag erblickte Elvis Tochter Vanessa das Licht der Welt. Ein Jahr später kam noch mein Timo dazu. Wir verbrachten die Kleinkinderzeit der Kinder gemeinsam, dann führte uns zwar das Leben wieder in verschiedene Richtungen, aber wir zwei beiden haben uns nie wieder aus den Augen verloren.

Unsere Mütter gingen von uns, was uns beiden mächtig zusetzt. Die Kinder haben ihre Hoch und Tiefs. Doch wir zwei bleiben die Alten. Wenn wir uns zum Frühstück treffen und unseren alkoholfreien Sekt schlürfen, dann gibbeln wir wie kleine Mädchen. Dazwischen weinen wir dann auch ein klitzekleines Bisschen, bis die Sonne uns wieder in der Nase kribbelt und wir erneut losgeiern.

Dann sage ich am Abend wieder zu meinem Lieblingsmann, „heute habe ich die Elvi getroffen, was haben wir wieder gelacht!“

Der liebe Gott hat es gut mit uns gemeint, er hat uns zweien eine Freundin für unser langes Leben beschieden. Danke lieber Gott! Danke, Elvi!

Ich grüße euch herzlich und wünsche euch immer einen guten Freund, eine gute Freundin, an eurer Seite,

Eure Birgit Life is beautiful - Schulfreundin

7 thoughts on “Schulfreundin

  1. Was für eine wunderbare Geschichte über unsere Freundschaft! Ich hab gelacht und geweint. Meine Lieblings- Birgit, mit der ich alles teilen kann………auch den Strohrum! DANKE!! Und jetzt liegt ein weiterer Zettel in meinem Glas!

  2. Lieber Andreas,
    mit irgendwem muss ich die „goldene Hochzeit“ ja schaffen.Ich übe schon mal mit meiner Elvi, hihi. Bei uns beiden wäre ich 94, da haben wir noch etwas vor! Liebe Grüße,
    Deine Birgit

  3. Liebe Elvi,
    so ist unsere gemeinsame Zeit, zum Weinen und zum Lachen! Wie das wahre Leben! Aber mit so einer tollen Freundin an meiner Seite ist es egal was kommt, zu zweit trägt es sich leichter.
    Und einen Zettel in mein Glas zu werfen, das hätte ich fast vergessen, mache ich jetzt sofort, einen pinken!
    Liebe Grüße,
    Deine Birgit

  4. Liebe Sabine,
    ich habe aus einigen Abschnitten in meinem Leben eine wunderbare Freundschaft mitgenommen. Eine stammt aus der Basketballzeit meines Sohnes. Darüber schreibe ich dann ein anderes Mal, wenn ich ein schönes Foto habe. 🙂
    Liebe Grüße,
    Deine Birgit

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert